Im Gespräch mit Alexander Wostry.

Alexander Wostry und seine Frau Janet Maro sind die Gründer von SAT, unserer Partnerorganisation in Tansania. Die Landwirtschaftstrainings von SAT verändern die kleinbäuerliche Welt vor Ort. Und sie wirken sich noch viel umfassender aus. Wir sprachen mit Wostry über seine Arbeit und über Landwirtschaft in Tansania.

 

Sei So Frei: Können Sie den agrarökologischen Ansatz von SAT kurz erklären?

Alexander Wostry: Es geht darum, mit den lokalen Materialien zu arbeiten. Ohne Spritzmittel, Düngemittel oder speziellen Geräten. Der Vorteil ist, dass die von uns ausgebildeten Kleinbauern diese Philosophie sofort umsetzen können. Die Praxis zeigt, wie erfolgreich dieser Ansatz ist.

Sei So Frei: Worin sehen Sie die großen Chancen einer biologischen Landwirtschaft?

Wostry: Ich glaube, dass die Zeit der konventionellen Landwirtschaft bereits abgelaufen ist. Wir brauchen einen neuen Weg. Biologische Landwirtschaft ist die Zukunft, weil sie gleichzeitig Wasserschutz und Artenvielfalt bedeutet, Bodenerosion und Klimawandel entgegenwirkt, sowie für faire Preise sorgt. Alles zusammengefasst eine holistische Lösung.

Sei So Frei: Woher kommt die starke Abhängigkeit afrikanischer Länder von Nahrungsmittel-Importen?

Wostry: Die Landwirtschaft in Europa ist natürlich stark subventioniert. Am Beispiel der Milchindustrie ist erkennbar, wie absurd das System ist. Zu Dumping-Preisen wird die Überproduktion europäischer Milch in Form von Magermilchpulver nach Afrika exportiert. Mit so etwas kann man nur schwer umgehen. Für ein Land wie Tansania macht es deshalb Sinn, Einfuhrzölle zu haben. Diese gibt es zum Teil auch. Zudem ist es wichtig, lokale Ressourcen zu stärken. Das sind die einzigen Wege, wie man sich von Abhängigkeiten von außen schützen kann.

Sei So Frei: Könnten sich die Menschen in Tansania überhaupt allein von inländischer kleinstrukturierter Landwirtschaft ernähren?

Wostry: Die Landwirtschaft in Tansania ist hauptsächlich kleinstrukturiert und diese funktioniert weitgehend ausgezeichnet. Wenn man diese mit agrarökologischen Methoden noch verfeinert, dann hätte man hier mit Sicherheit genug Essen, ja kann sogar noch Überschüsse in die Nachbarländer verkaufen. Bis jetzt sind etwa 85 Prozent des Landes in kleinbäuerlichem Besitz. Diese Strukturen muss man natürlich auch nützen, weil es die nachhaltigste Form ist, ein Land zu bearbeiten. Mit den richtigen Anbaumethoden, Wahl von Wertschöpfungsketten, kann man hier sicher ein gutes Leben haben und den Kindern in der Stadt oder am Land eine Zukunft geben.

Sei So Frei: Welche Ansätze hat SAT hinsichtlich einer klimaangepassten Landwirtschaft?

Wostry: Wichtig ist hier vor allem das Bodenmanagement, also der Aufbau von Humus, um Wasser besser speichern zu können. Das kann man ergänzen mit intelligenten Bewässerungs-Technologien wie Wassergräben und mit Mulchen. Zudem ist die richtige Sorten- und Pflanzenwahl ganz entscheidend. Mais zum Beispiel braucht sehr viel Wasser. Hier könnte man umstellen auf Sorghum Hirse. Klimaangepasste Landwirtschaft ist eine große Herausforderung, mit agrarökologischen Methoden ist diese allerdings schaffbar. Immer wenn es zu Extremen wie Trockenheit oder Überschwemmungen kommt, zeigen sie sich den konventionellen Methoden überlegen.

Sei So Frei: Wie kann künstliche Bewässerung in Afrika funktionieren?

Wostry: In erster Linie funktioniert sie über Tröpfchen-Bewässerung. Es ist allerdings gut zu überlegen, wo man sie einführt, weil die Arbeitskraft in Tansania sehr günstig ist. In manchen Fällen könnte es günstiger sein, per Hand zu Bewässern. Natürlich kann man künstliche Bewässerung spezifischer und punktueller einsetzen. In Gebieten mit Wasserknappheit ist das schon besonders wichtig.

Sie So Frei: Wie schätzen Sie die Rolle der Agrarpolitik in Tansania ein?

Wostry: In der Zusammenarbeit mit der Politik haben wir bis jetzt große Erfolge erzielt. Aktuell erarbeiten wir mit der tansanischen Regierung biologische Richtlinien für Kleinbauern. In Kooperation mit der Regierung sind wir dabei diese an 30 Landwirtschaftsschulen mit gut 5.000 Studenten im Jahr in den neuen Lehrplan zu integrieren. Lobby-Arbeit ist wichtig, besonders um die Politik darüber aufmerksam zu machen, dass biologische Landwirtschaft und agrarökologische Methoden die einzigen Perspektiven sind.

Sei So Frei: Vermittelt SAT auch den Anbau einheimischer Nutzpflanzen?

Wostry: Ja, das ist sehr wichtig, weil diese die Qualität besitzen, mit schlechten klimatischen Bedingungen zurecht zu kommen und schädlingsresistent zu sein. Wir empfehlen, dass man Nutzpflanzen immer am Feld anpflanzt, weil sie eine gute und gesunde Alternative sind.

Sei So Frei: Decken sich die Essgewohnheiten in Tansania wohl auch mit dem, was angebaut wird?

Wostry: Ja und nein, das kommt auf die Einkommensklasse an. Überall dort, wo der Kleinbauern nicht so viel Geld haben, wird das gegessen, was angebaut wird. Aber natürlich verändert sich das in der Mittelschicht. Man sieht das recht gut, wenn man in Dörfer geht, und man dann viele Leute über 100 Jahre trifft. Ich habe es oft gar nicht glauben können. Es ist klar ersichtlich, dass die Menschen, die sich mit eigenen Produkten und mit dem was das Land hergibt ernähren, eine weit höhere Lebenserwartung haben, als Menschen in der der Stadt. Das zeigt, wie gesund man sich ernähren kann, wenn man auf Zucker verzichtet und natürliche Zutaten verwenden.

Sei So Frei: Was treibt Sie in Ihrer Arbeit an?

Wostry: Zu wissen, dass man etwas Gutes für die Zukunft tut. Und die Gewissheit, dass unser Ansatz jetzt gebraucht wird, um hier auf dieser Erde gut leben zu können.

Sei So Frei: Was sind Ihre Visionen für die nächste Zukunft?

Wostry: Wir wollen unser Zentrum weiter ausbauen, um für Menschen aus dem gesamten ostafrikanischen Raum Informationen zugänglich machen. Über unsere Bauernzeitschrift, und unseren Social Media Auftritt tuen wir das ja schon in weiten Teilen. Hier informieren wir Kleinbäuerrinnen und -bauern über Verarbeitung und Vermarktung. Wir wollen mit anderen Organisationen, die eine ähnliche Philosophie wie wir verfolgen, kooperieren. So können wir langsam einen Systemwandel in der afrikanischen Landwirtschaft herbeiführen.

Sei So Frei: Wo sehen Sie SAT in 10 Jahren?

Wostry: Bis dahin sind wir wahrscheinlich in weiteren zwei bis drei Ländern tätig. Unser Ausbildungszentrum kann weiterhin helfen, kleinbäuerliche Produktion umzusetzen. Wir wollen ein Kompetenzzentrum in ganz Ostafrika sein, in dem nachhaltige Wertschöpfungsketten aufgebaut werden und unsere Forschungsabteilung hat sich vergrößert. Wir werden uns weiterhin intensiv für ein gutes Bauern-Netzwerk bemühen, durch das immer mehr Bäuerinnen und Bauern von Erfolgserlebnissen erfahren können. So können wir automatisch ein klares Statement in Richtung Politik geben.

 

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Alle Infos zu den Landwirtschaftstrainings von SAT in Tansania finden Sie >> HIER!

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